Eisenbahn-Bundesamt

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Fachmitteilung 31 / 2021 vom: 07.12.2021, Thema: Bahnbetrieb

Sicherheitspflichten bei der Verwendung von Abschleppkupplungen im Rahmen von Überführungsfahrten

Im Rahmen von Überführungsfahrten besteht teilweise die Notwendigkeit, Fahrzeuge in den Zugverband einzureihen, die nicht mit dem manuellen UIC-Kupplungssystem gemäß DIN EN 15566 „Bahnanwendungen – Schienenfahrzeuge – Zugeinrichtung und Schraubenkupplung“ und DIN EN 15551 „Bahnanwendungen – Schienenfahrzeuge – Puffer“, sondern mit anderen Kupplungssystemen ausgestattet sind. Hier ist insbesondere die automatische Kupplung „Typ 10“ bzw. „Scharfenberg-Kupplung“, definiert durch DIN EN 16019 „Bahnanwendungen – Automatische Kupplung – Leistungsanforderungen, spezifische Schnittstellengeometrie und Prüfverfahren“, zu nennen. Die folgenden Ausführungen gelten allerdings analog auch für die Verwendung von anderen als der hier genannten automatischen Kupplung.

Das EBA hat im Rahmen der Eisenbahnüberwachung festgestellt, dass es im Eisenbahnsektor unterschiedliche Auffassungen gibt, wie solche Überführungsfahrten hinsichtlich der Verwendung von Abschleppkupplungen zu behandeln sind. In dieser Fachmitteilung werden die Verantwortlichkeiten und die damit einhergehenden Anforderungen erläutert, damit ein einheitliches und sicheres Vorgehen im Sektor erleichtert wird.

Die Fachmitteilung 19 / 2012, welche die materiellen und formalen Anforderungen an Fahrzeuge im Rahmen von Überführungsfahrten erläutert, bleibt unberührt. Die dort genannten Sicherheitspflichten sind somit auch für den hier beschriebenen Fall zu berücksichtigen.

Fahrzeuge, die nicht mit dem manuellen UIC-Kupplungssystem ausgestattet sind, dürfen mit Triebfahrzeugen oder Übergangswagen, die mit einem für das geschleppte Fahrzeug passenden Kupplungssystem ausgestattet und zugelassen sind, geschleppt werden.

Die Verwendung von sogenannten Abschleppkupplungen, Schleppadaptern, Übergangskupplungen oder Kupplungen mit vergleichbaren Bezeichnungen (i.W. als Abschleppkupplung bezeichnet) ist im Rahmen von Überführungsfahrten nicht ohne weiteres möglich, auch wenn es sich um Interoperabilitätskomponenten nach VO (EU) Nr. 1302/2014 Anhang 5.3.3 i. V. m. Abschnitt 4.2.2.2.4 handelt.

Hintergrund dafür ist, dass diese Abschleppkupplungen für den Anwendungsfall der Bergung ausgelegt und konzipiert sind und lediglich den besonderen Anforderungen unterliegen, die während einer Bergung eintreten. Hinsichtlich der konstruktiven und verwendungsspezifischen Merkmale der Abschleppkupplung wird insoweit auf die DIN EN 15020 „Bahnanwendungen – Abschleppkupplung – Leistungsanforderungen, spezifische Schnittstellengeometrie und Prüfverfahren“ verwiesen. Dort wird diese Kupplung wie folgt definiert: “Spezialkupplung, die das Abschleppen eines defekten Zuges oder einer Zugeinheit mit Hilfe eines Fahrzeugs, das mit einem anderen Kupplungstyp ausgestattet ist, im Zug- und Schiebebetrieb ermöglicht“.

Sollte eine Abschleppkupplung dennoch im Rahmen von Überführungsfahrten verwendet werden, wird auf die Pflicht des durchführenden Eisenbahnverkehrsunternehmens (EVU) zur Gewährleistung des sicheren Eisenbahnbetriebes gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 Allgemeines Eisenbahnbesetz (AEG) verwiesen.

Wie bereits in der Fachmitteilung 19 / 2012 beschrieben, müssen sich alle Fahrzeuge im Zugverband in einem sicheren Zustand befinden und den Anforderungen der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) genügen. Bevor eine Abschleppkupplung im Rahmen einer Überführungsfahrt verwendet wird, muss das EVU das Risikomanagementverfahren gemäß Durchführungsverordnung (EU) Nr. 402/2013 anwenden, um alle Risiken zu erkennen und zu beherrschen. Im Zusammenhang mit der Abschleppkupplung sind darin mindestens folgende Sachverhalte zu berücksichtigen:

  • Die Kupplung muss rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sein und dem EVU müssen Unterlagen, in denen die genehmigten Betriebssituationen und übertragbaren Kräfte dokumentiert sind, vorliegen.
  • Die Anforderungen aus den technischen Netzzugangsbedingungen für außergewöhnliche Transporte müssen eingehalten werden.
  • Die Festigkeit der Abschleppkupplung muss gewährleistet sein. Gemäß DIN EN 15020 bestehen „keine Anforderungen an die Dauerfestigkeit der Abschleppkupplung“. Dieser Umstand muss mit geeigneten Maßnahmen berücksichtigt werden.
  • Alle auftretenden Betriebssituationen müssen analysiert und die daraus resultierenden Längskräfte, sowohl in Zug- als auch Druckrichtung, bekannt sein. Diese dürfen die zulässigen Kräfte der Abschleppkupplung und der Zughaken des schleppenden Triebfahrzeuges sowie gegebenenfalls der weiteren, mit einer Abschleppkupplung verbundenen Wagen in keiner Situation übersteigen.
  • Die erforderlichen Mindestbremshundertstel des Zuges müssen während der Fahrt grundsätzlich eingehalten werden. Dazu muss das EVU das Bremssystem der geschleppten Einheit sowie dessen Eigenschaften und Funktionsweise kennen. Es muss gewährleistet sein, dass die Luftleitungen der Bremse und ggf. auch die Hauptluftbehälterleitung durchgehend gekuppelt und durchgängig sind und dass alle wirksamen Bremsen des Zuges mit ausreichend Energie (Druckluft) versorgt werden. Die durch das EVU ermittelten Nutzungs- und Betriebsvorgaben müssen sicherstellen, dass die geschleppten Fahrzeuge so verbunden und angesteuert werden, dass der Zug die Anforderungen an die Bremsen aus der EBO jederzeit erfüllen kann.

Diese Aufstellung ist weder vollumfänglich noch abschließend. Das durchführende EVU muss im Einzelfall alle notwendigen Umstände berücksichtigen, um einen sicheren Betrieb zu führen.

Das Eisenbahn-Bundesamt behält sich im Rahmen der Eisenbahnaufsicht vor, Überführungsfahrten zu überwachen. Das schließt auch die Prüfung der korrekten Durchführung des Risikomanagementverfahrens gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 402/2013 sowie der zu Grunde liegenden und erforderlichen Nachweisdokumente ein.