Eisenbahn-Bundesamt

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Fachmitteilung 09 / 2022 vom: 23.06.2022, Thema: Bahnbetrieb

Regelmäßige Überprüfung der betriebssicherheitsrelevanten Kompetenzen in der Nutzung der Punktförmigen Zugbeeinflussung

Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) hat im Rahmen der Aufsicht festgestellt, dass es Verbesserungsbedarf bei der Einhaltung der Regeln der Ril 408 im Modul 408.2651 gibt, in denen es um das Verhalten der Triebfahrzeugführer (Tf) nach einer Zwangsbremsung der Punktförmigen Zugbeeinflussung (PZB) geht. Das gilt insbesondere für den Kontakt mit dem Fahrdienstleiter und die Wirksamkeit der Überprüfung dieser Regel im Sicherheitsmanagementsystem (SMS).

Die Erfahrung zeigt, dass der pflichtbewusste Umgang mit der o.g. Regel der Ril 408 eine maßgebliche Rolle dabei spielt, schwere Unfälle zu verhindern.

Das EBA hat unter anderem nach Auswertung von PZB-Fahrtverlaufsdaten oder Zugfunkgesprächen Fälle festgestellt, in denen keine korrekte Regelanwendung durch den Tf wie auch den Fahrdienstleiter (Fdl) stattgefunden haben kann. Dies legt den Schluss nahe, dass in diesen Unternehmen nicht allen Mitarbeitern ihre Aufgabe ausreichend bewusst ist und z.T. Eisenbahnen nicht hinreichend ihrer Verantwortung[1] diesbezüglich nachkommen.

Die Beachtung der Regel lässt sich seitens Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) durch Betrachtung der Standzeit nach einer PZB-Zwangsbremsung in den Fahrtverlaufsdaten feststellen. Den Vorgaben der Ril 408.2651 für ein Zugfunkgespräch zwischen Tf und Fdl kann nicht entsprochen worden sein, wenn die Standzeit nach Zwangsbremsung den Zeitbedarf für den Verbindungsaufbau zum Fdl, die Meldung des Tf und die anschließende gemeinsame Feststellung, wo die Zwangsbremsung eingetreten ist, unterschreitet.

Die ordnungsgemäße Regeleinhaltung der Ril 408.2651 und deren Kontrolle durch EVU in ihrem SMS wird das EBA im Rahmen der Eisenbahnaufsicht überprüfen . Da die Ril 408.2651 eine „Ursachenmutmaßung durch den Tf allein“ nicht vorsieht, sollten EVU differenzieren, ob eine etwaige Nichteinhaltung dieser Regel auf fehlerhafte Wissensvermittlung oder auf eine bewusste Entscheidung des Tf zurückzuführen ist, vom Regelwerk abweichend zu handeln. Aus dieser Differenzierung leiten sich unterschiedliche Maßnahmen ab. Folglich sind alle Eisenbahnen aufgefordert, sofern noch nicht erfolgt, zeitnah für eine aussagefähige Dokumentation der regelmäßigen Überprüfung der betriebssicherheitsrelevanten Kompetenzen in der Nutzung der PZB und zum auswertbaren Fahrverhalten allgemein zu sorgen.

Darüber hinaus regt das EBA an, dass Zwangsbremsungen durch Tf auf geeignete Art im EVU gemeldet und anschließend einer Bewertung unterzogen werden. Rückschlüsse auf die Qualität der Sicherheits- und Fehlerkultur im Eisenbahnunternehmen lassen sich nicht nur aus der Häufigkeit von Zwangsbremsungen ziehen, sondern auch aus dem anschließenden Umgang damit.

Nachfolgend stellt das EBA beispielhaft die Erwartung an das Beherrschen der Risiken aus der Umsetzung des Moduls Ril 408.2651 durch EVU dar (hier als „personenbezogene“ Stichprobe, denkbar sind auch z.B. „fahrzeugbezogene“ Stichproben):

Mittels eines im SMS festzulegenden Überwachungsprogramms ist die Überwachung nach Inhalt, Art und Menge zu definieren. Dabei ist auch mittels eines Stichprobenumfanges für Auswertungen des PZB-Fahrtverlaufs zu gewährleisten, dass die im eigenen SMS eingesetzten Tf in ausreichender Häufigkeit hinsichtlich des korrekten Verhaltens nach einer PZB-Zwangsbremsung kontrolliert und ggf. wirksame Maßnahmen ergriffen werden.

Hierzu bietet sich ein Stichprobenverfahren auf Grundlage der DIN ISO 2859-1:2014-08 an. Die Anzahl der in der Praxis üblichen Dienstschichten eines Vollzeit-Tf pro Jahr entsprechen einem Losumfang von 151 bis 280 gemäß Tabelle 1 der DIN ISO 2859-1:2014-08 (für nicht-Vollzeit im SMS als Tf eingesetzte Mitarbeiter sind andere Parameter zu wählen). Als Fehler in der Stichprobe wird eine zu kurze Standzeit der Zugfahrt nach einer PZB-Zwangsbremsung gewertet. Bei einem Allgemeinem Prüfniveau = II und einer annehmbaren Qualitätsgrenzlage von <1% lässt sich so ein benötigter Stichprobenumfang von 20 Dienstschichten zur Überprüfung auf o.g. Fehler ermitteln (Tabelle 2-A der DIN ISO 2859-1:2014-08). Diese gewählte Qualitätsgrenzlage unterstellt, dass jedem Tf die Regeln der Ril 408.2651 aufgrund der Ausbildung und fortlaufender Schulungen hinreichend bekannt sind.
Bereits eine Dienstschicht der Stichprobe mit einer zu kurzen Standzeit nach einer PZB Zwangsbremsung gibt zu erkennen, dass dieser Tf der Regel nicht Folge leistet. Sein Verhalten ist als „nicht handlungssicher“ zu beurteilen, der weitere Einsatz dieses Tf bedarf durch das EVU festzulegender korrektiver Maßnahmen. Die Feststellung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen obliegt ebenfalls dem EVU, welche auch eine Erhöhung oder Absenkung des Stichprobenumfangs beinhalten können.

Diese beispielhafte Überprüfung der Umsetzung des Moduls Ril 408.2651 stellt lediglich einen Teilaspekt der regelmäßigen Überprüfung der betriebssicherheitsrelevanten Kompetenz in der Nutzung der PZB dar und ist durch weitere Aspekte, wie beispielsweise die Einhaltung von Geschwindigkeitsvorgaben, zu erweitern.

Anmerkungen:

  1. Gemäß Anhang I, Nummer 4.2.3.4.4. der VO (EU) 2019/773 (TSI OPE) müssen EVU Verfahren anwenden, mit denen die Leistungsfähigkeit des Betriebs aller betroffenen Bereiche überwacht werden kann. Diese Überwachungsverfahren sind so zu gestalten, dass sie sowohl in Bezug auf menschliche Fehler als auch auf Systemfehler Daten analysieren und grundlegende Entwicklungen erkennen. Gemäß Nummer 4.2.3.5. der VO (EU) 2019/773 müssen zur Unterstützung der systematischen Überwachung der Sicherheit Zuglaufdaten aufgezeichnet und gespeichert werden. Auch gemäß Anhang I, Nummer 6.1.2. der VO (EU) 2018/762 (SMS-Anforderungen) muss ein EVU regelmäßig die Erfüllung sicherheitsrelevanter Aufgaben überwachen und eingreifen, wenn diese Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt werden. Gemäß Nummer 5.1.6 der VO (EU) 2018/762 hat ein EVU zur Kontrolle der betriebssicherheitsrelevanten Kompetenzen in Bezug auf Mitarbeiter sicherzustellen, dass Arbeitsanweisungen Folge geleistet wird und falls erforderlich, Korrekturmaßnahmen ergriffen werden.
    In Bezug auf die Tätigkeit des Tf ergibt sich daraus eine systematische, nicht-anlassbezogene, nachgelagerte Überwachung von PZB-Fahrtverlaufsdaten auf korrekte Anwendung von betrieblichen Regelwerken wie z.B. Ril 408 oder Ril 483.